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2RAUMWOHNUNG

Auf merkwürdigen Wegen

Electro-Dancepop, ein paar Saiten, schwebende Texte, Neue Deutsche Welle und eine Spritze Melancholie – irgendwo in diesem stilistischen Umfeld bewegen sich 2RAUMWOHNUNG aus Berlin. Auf die leichten Sommertage bescherten sie ihren Fans allerdings etwas ganz Neues: Bossa Nova – akustisch, versteht sich. Wir unterhielten unsh mit INGA HUME und TOMMI ECKERT am "Openair St.Gallen".

 2raumwohnung

Foto: Ira Wirth

Electro-Dancepop, ein paar Saiten, schwebende Texte, Neue Deutsche Welle und eine Spritze Melancholie – irgendwo in diesem stilistischen Umfeld bewegen sich 2RAUMWOHNUNG aus Berlin. Auf die leichten Sommertage bescherten sie ihren Fans allerdings etwas ganz Neues: Bossa Nova – akustisch, versteht sich. Das TREND MAGAZIN unterhielt sich mit INGA HUME und TOMMI ECKERT am OPENAIR ST.GALLEN.

Es sei ruhiger, hinten bei den Garderoben der Sternenbühne. Also lass ich mich vom Mediencorner nach dort hinten führen. INGA und TOMMI warten schon. Bereits nachmittags sind sie angereist, obwohl ihr Konzert erst gegen 23 Uhr startet. Für mich bedeuten Interviews mit Stars meiner Kindheit immer etwas besonderes, schaute ich doch mal zu ihnen hoch. So auch bei INGA HUMPE, die mich schon 1983 mit ihrem im Sauseschritt düsenden «Codo» erfreute oder TOMMI, der schon 1981 mit Elektronik für diverse NDW-Platten tüftelte. (RUEDI: Mach bitte noch ein Foto von uns.)

Elektronikfreak TOMMI fällt mein MP3-Player auf («Sehr schick!»). Ich benütze ihn als Aufnahmegerät fürs Interview. Die beiden freuen sich über mein Lob. In der Tat hat es seit SAINT ETIENNE keine Gruppe mehr so schnell fertig gebracht, dass ich mir deren ganzen Backkatalog auf einmal besorgen musste. 2000 traten die 2RAUMWOHNUNG mit «Wir trafen uns in einem Garten» erstmals auf die Bildfläche. Retro traf Zeitgeist. Berlin flippte. Ein Album folgte. Und dann noch ein Remixalbum. 2RAUMWOHNUNG profitierten dabei sicherlich auch von der «Ostalgie-Welle». Deutsch war wieder hipp. Der Stil war neu. Bässe die abgehen, Gitarren die krachen, Töne die piepsen und dazu INGAs lieblich-traurige Stimme mit Texten, die aus dem Bauch zu kommen scheinen. Auch andere begannen damals, deutsch zu singen.

«Ihr habt einen neuen Stil erfunden!» bemerkte ich. – «Ja, finde ich auch,» pflichtet mir INGA bei. «Wir spielen einen Stil, den es nicht gibt. Und ich glaub, deswegen darf man nicht traurig sein, wenn andere deutsch singende Bands 400’000 Einheiten von einem Album verkaufen, während es bei uns vielleicht 500'000 von vier Alben zusammen sind.» – 2RAUMWOHNUNG als Auslöser der aktuellen deutschen Pop- und Rockwelle? INGA: «Uns sind so Sachen wie Image eigentlich immer ziemlich egal. Wir machen unsere Musik.» Und über die scheinen sie sich auch keine grossen Gedanken zu machen. Überhaupt, so scheint mir, stapeln die beiden doch etwas sehr tief. «Ich finde viele dieser deutschen Bands ganz toll, textlich, und sie spielen gut.» Dann differenziert INGA: «Aber die Musik finde ich bei vielen nicht ganz so interessant, so klassischen Allerwelts-Deutschrock irgendwie so. Der geht bei mir nicht immer so unter die Haut. Die sind natürlich sehr erfolgreich und die Leute wollen das hören. Darum verstehe ich auch, dass die das machen. Wir sind so auf einer Grenze.» Und nun ist sie im Element: «Uns geht’s um Musik und darum, dass wir das machen können, was wir gut finden. Und um die Leute zu inspirieren und anzuregen, ein bisschen mit uns auf unseren merkwürdigen Wegen mitzugehen, uns zu Vetrauen. Bei uns kommt es immer so auf den Groove an. Bossa nova ist auch ein Rhythmus. Auch sanfte Musik kann unheimlich viel Kraft haben.» Und so wären wir bei der Gegenwart. Warum denn ein Bossa-Nova-Album? TOMMI: «Wir hatten schon lange die Idee, ein beruhigendes, akustisches Album zu machen, auch mit alten Stücken drin.» Und so hören wir nun Hits wie «Sexy girl» oder die Lesbenhymne «Ich und Elaine» in einer völlig neuen Leichtigkeit.

Ja, 2 RAUMWOHNUNG sind eigenständig, deutsch – deutsche Worldmusic. Und darum hat das bekannte Wordmusic-Label PUTUMAYO sie auf einen seiner Sampler compiliert. TOMMI: «Das hat uns überrascht. Wir haben gehört, dass wir auch in Brasilien usw. laufen. Wir sind ja viel in Russland unterwegs. Das freut einen schon, wenn man da so sieht, wie international die Sprache der Musik so funktioniert.

INGA und TOMMI sind auch privat ein Paar. Da lassen sich Kunst, Geschäft und das Privatleben nicht immer trennen. «Das geht nicht». Doch man komme sich auf verschiedenen Ebenen zusammen, die partnerschaftliche, die musikalische und die geschäftliche. TOMMI fällt es merklich schwer, dies zu beschreiben. Mir entsteht jedoch der Eindruck, dass die beiden das eher als Gewinn empfinden. Nach langem Stochern kommt es aber doch: «Natürlich geht man sich auch mal auf’n Wecker.»

Ich muss INGA noch auf ihre Schwester ANETTE (Ex-IDEAL) ansprechen, schliesslich gehört auch das HUMPE-HUMPE-Album, das die beiden 1985 zusammen aufgenommen haben, zu meinen Favoriten. «Meine Schwester ist ja jetzt so mit ICH+ICH auch wieder sehr erfolgreich. Und die ist total gut drauf. Und ich bin sehr stolz auf sie, weil sie so gute Stücke schreibt und es tut uns beiden gut.» Und bei diesen Sätzen INGAs fällt mir auf, dass sie so singt, wie sie spricht – ziemlich spontan, ein wesentlicher Bestandteil, der die Leichtigkeit von 2RAUMWOHNUNG ausmacht. Mit ANETTE wird’s wahrscheinlich keine Zusammenarbeit mehr geben. «Wir sind musikalisch total unterschiedlich.»

Draussen auf der Sternenbühne geben MONEYBROTHER Vollgas. Es wird laut. Es sei ruhiger im Medienzelt…
23:00 Uhr. Ich steh’ für einmal in der Mitte der ersten Reihe eines Konzerts. INGA HUMPE und TOMMI ECKART und ihre beiden Mitmusiker starten. Und ich auch – durch! Und auch das nette Girl neben mir gibt Vollgas, vor allem bei «Sasha (sex secret)». Smile!

Alben: «Es wird morgen» und «Melancholisch schön» (It sounds / Sony BMG)
www.2raumwohnung.de

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