In St.Gallen steht die Marktplatz-Abstimmung III bevor. Ein drittes Nein wäre ein Riesendesaster. Die Stadt hat viel unternommen, ein solches zu verhindern. Doch mit dem Entscheid, zusammen mit dem Kanton eine Bibliothek im Union zu errichten, hat sie das Nein-Risiko unnötig erhöht. Die Union-Bibliothek hat unmittelbar Einfluss auf die Gestaltung des Marktplatzes. Trotz allem: Ja zum Marktplatz-Rahmenkredit, denn damit können die dringenden, wichtigen und unbestrittenen Teile endlich in Angriff genommen werden.
Eine Bibliothek im erweiterten Union hat Einfluss auf den Marktplatz. Daher muss die Gestaltung von Platz und Haus aufeinander abgestimmt sein. Diese einfache Visualisierung zeigt das maximal mögliche Volumen. Ein Architekturwettbewerb läuft noch.
Die Meier AG hat Raumnot. Neben ihrem Produktionsgebäude hat es aber Platz zu expandieren. Doch stattdessen belegt sie Räume in der Liegenschaft der Müller AG. Diese wiederum will ebenfalls wachsen. Beide Unternehmen gehören der MM Holding. Die MM Holding will nun für die Müller AG abseits ihres Hauses neu bauen und so ihr Stammhaus ganz der Meier AG überlassen. Doch wäre es nicht sinnvoller, die Meier AG würde bei sich anbauen, wo Platz ist und die Müller AG könnte sich in ihrem Haus gänzlich ausbreiten?
Man ersetze Meier AG durch Fachhochschule, Müller AG durch Bibliothek und MM Holding durch den Kanton St.Gallen.
Nach den zwei erfolgten Marktplatz-Niederlagen setzte die Stadt auf Partizipation. Ein Forum aus Teilnehmenden aller Betroffenen, Parteien und Interessenverbänden fand schliesslich eine Lösung mit ca. 80% Zustimmung. Von einer Bibliothek war damals noch nicht dier Rede.
Auswertung des Marktplatz-Forums
"Marktplatz, Bohl und Blumenmarkt sind unterschiedliche Plätze mit verschiedenen, aber je eindeutigen Funktionen. Sie orientieren sich historisch an den umgebenden Gebäuden." Zustimmung 92%
"Wichtig für Marktplatz, Bohl und Blumenmarkt ist eine grosse Freifläche, die sich flexibel nutzen lässt."
"Standort Markt: Heutiger Standort und allfällig Blumenmarkt."
"Der Blumenmarkt wurde als möglicher Ort für den ständigen Markt oder für Gastrostände genannt."
Es war der Konsens herauszuhören, dass der Marktplatz völlig frei von Fixbauten sein soll, diese sollten sich auf den Blumenmarkt beschränken. Wobei man sich dessen nicht bewusst war, dass ein leerer Marktplatz während der ungenutzten Zeit gänzlich unattraktiv und uneinladend ist.
Bohl für den ÖV, Blumenmarkt als ständiger Markt und Marktplatz frei.
Die Idee, im Union-Gebäude die gemeinsame Bibliothek von Kanton und Stadt unterzubringen, stellt diese Lösung jedoch in Frage. Zwar bringt sie gewünschtes Leben auf den Platz. Gewünscht war aber u.a. auch eine Fläche, die frei bleiben soll für temporäre Märkte und Veranstaltungen, Stichwort «frei bespielbar» und «Meisterfeier». Der Blumenmarkt hätte Standort des ständigen Markts oder von Foodständen sein können. So wäre der Marktplatz diese frei bespielbare Fläche gewesen.
Die Platzierung einer möglichen Bibliothek auf dem Blumenmarkt verkleinerte den Marktplatz-Projektperimeter
Der Wegfall des Blumenmarktes ändert die Situation. Als «Kompensation» wird die Marktgasse freigeräumt. Ohne Rondelle und Bäume soll sie die neue Aufgabe als Fläche für temporäre Märkte und Veranstaltungen erfüllen. Doch diese Fläche ist nicht einfach einzurichten. Zugänge sind freizuhalten und die Notdurchfahrt muss gewährleistet sein. Ein Festzelt wird hier wohl kaum jemals stehen. Und zieht eine Bühne einmal viel Publiukm an, müssen vielleicht Absperrgitter her, damit der Zufahrtsbereich frei bleibt. Der freie Platz ist zentral, was auch positive Effekte hat. Unmöglich sind Events hier grundsätzlich nicht, die Einschränkungen sind jedoch sicherlich grösser, als sie auf dem Marktplatz oder auf dem Blumenmarkt gewesen wären.
Ein Publicviewing-Zelt wird es hier wohl nie geben.
Und die Marktstände können sicher nicht so platziert werden, wie es die romantisierende Visualisierung des aktuellen Marktplatzprojekts glauben lässt. (Bild: offizielle Visualisierung)
Das Volumen des Uniongebäudes reicht niemals für eine Bibliothek der geplanten Grössenordnung. Dessen sind sich die Planer sehr wohl bewusst.
Der Grössenvergleich zwischen Union und Hauptpost zeigt klar den Unterschied.
Sie sehen daher eine Erweiterung vor, die bis zu den Treppen des Blumenmarktes zum Marktplatz reichen könnte. Würde dieser Anbau so hoch wie das Uniongebäude, wird der abendliche Schattenwurf den Marktplatz noch unattraktiver machen, als er es heute schon per se ist.
Den Marktplatz einladend zu gestalten ist nämlich ohnehin schon eine Herausforderung, denn die geschlossenen Fassaden von Bank und Restaurant, das Gefälle gegen diese und die Beschattung durch besagte Fassaden sind gegeben und lassen sich nicht mit einer Neugestaltung des Platzes ändern.
Das Uniongebäude ist architektonisch interessant und daher auch geschützt. Die Passage durch das Union vom Marktplatz zur Poststrasse ist der schnellste Weg von der Altstadt zum Bahnhof. Diese sollte eher noch direkter und attraktiver sein als heute. Mit dem Bibliotheksbau droht Gegenteiliges.
Union 1953 (Bildquelle ?)
Die Hauptpost hat die ideale Grösse. Sie wurde ursprünglich als neuer möglicher Standort der vereinigten Bibliothek von Kanton und Stadt St.Gallen gefeiert. Der Mangel der schwachen Statik wird sich doch beheben lassen, wenn man denn will. Im Übrigen sind Gerüchte über mangelnde Tragfähigkeit auch über das Uniongebäude im Umlauf.
Eine Kantonsbibliothek steht dem ganzen Kanton offen. Günstiger als am Hauptbahnhof könnte daher ihre Lage nicht sein. Der Bau aus dem Jahr 1915 ist repräsentativ, das Union könnte es sein, wird es aber von Seiten Schibenertorplatz eher nicht werden, denn Bürogebäude bleibt Bürogebäude.
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Mit einer Parkgarage können Wert und Attraktivität der Liegenschaft gesteigert werden, so der Plan. Zweimal versagte das Stimmvolk den Liegenschaftsbesitzern des Union die Zusage für mehr Parkraum in seiner Nähe. Dann machen wir es halt ohne Volk, sagten sie sich und so planten die Besitzer des Union und anderer umliegender Häuser eine Garage unter dem Union und dem Schibenertorplatz. Die Stadt willigte zuerst ein, musste dann aber wegen massiver Opposition, Einsprachen und nicht gänzlich durchdachter Ein- und Ausfahrt einen Rückzieher machen. Die Parkgarage Schibenertor war nicht bewilligingsfähig.
Ein Scherbenhaufen für die Besitzer des Union, zumal die Leerung des Gebäudes bereits begonnen hat.
Im Rahmen der Marktzplatzumgestaltung kam auch die Idee auf, aus dem Taubenloch und dem Erdgeschoss des Union eine Markthalle zu machen. Viele konnten sich immer noch nicht damit abfinden, dass 2011 eine solche abgelehnt wurde. Gründete die Ablehnung eher auf dem zugebauten Marktplatz und nicht etwa auf einer Markthalle an sich? Möglich bis eher ja.
Machbarkeit einer Markthalle im Union und Taubenloch
Eine öffentliche Nutzung der umliegende Erdgeschosse könnte den Marktplatz beleben, so die Annnahme. Eine Bibliothek ist ebenfalls eine öffentliche Nutzung.
Man könnte sowohl seitens der Stadtplaner als auch seitens der Union-Besitzer Gefallen an der Markthallenidee gefunden haben. Doch eine solche ist riskant und die oberen Geschossen sind weiterhin ein Problem. In dieser Situation muss die Idee eine Bibliothek im Uniongebäude entstanden und gewachsen sein. Warum nur Erd- und Untergeschoss an die öffentliche Hand vermieten, verkaufen oder sonstwie gewinnbringend abtreten, wenn sich gleich das ganze Haus auf diese Weise so gut anlegen lässt? Es kann kaum abgestritten werden, dass dieser Gedanke bei den Liegenschaftsbesitzern auf ein Wohlwollen gestossen ist. Auf Jahre hinaus das ganze Gebäude genutzt, keine lästigen Mieterwechsel mehr und keine Nachfrage seitens der Mieter nach Parkplätzen.
Die Bibliothek bleibt in der Hauptpost. Diese wird entsprechend umgebaut und statisch verstärkt.
Ins Union-Erd- und Untergeschoss sowie ins Taubenloch wird eine eineinhalbgeschossige Markthalle mit Verglasung zum Martkplatz und Passagen zur Poststrasse und zur Kreuzung Schibenertor erstellt. Ständiger Publikmsverkehr wird für Belebung sorgen. Zwar fand eine solche Markthalle im Marktplatzforum keine Mehrheit, doch seither ist Zeit verstrichen und wer sagt denn, dass die Finanzierung durch die öffentliche Hand erfolgen soll?
Basel: eine ursprünglich traditionelle Markthalle, heute breiter genutzt, erheblich grösser, als was in St.Gallen möglich wäre (Bildquelle: altemarkthalle.ch)
Glarus: viel kleiner, mit Gemüsemarkt, Café, Kinderhort (Bildquelle: markthalle-glarus.ch)
Artà, Mallorca: Zweckmässige Gemüsemarkthalle, mehr nicht
Hout Bay Market bei Capetown, Südafrika: Markthalle mit fixen und temporären Ständen für Klein- und Kleinsthändler sowie Foodcorner.
Augsburg: Die Stadt ist zwar viermal grösser als St.Gallen, hat aber auch eine mehr als viermal so grosse Hallenfläche, wie man sie hier unterbrigen könnte. Beim Besuch im vergangenen Dezember konnte ich mich von einer vollen Nutzung durch alle Bevölkerungsschichten überzeugen. Da gibt es eine Gemüsehalle. Eine weitere Halle erinnert an eine Art Permanentmesse mit Ständen, worunter auch Wein- und Alkoholstände zu finden sind. Die entsprechende Ecke erinnert an die Hallen 4 und 5. Die Esshalle ist einfach eingerichtet: Rundum Stände, in der Mitte Esstische. Dazwischen, im Aussenbereich, befinden sich nochmals zahlreiche Fixstände
Ein Nein muss nicht sein. Stimmen wir dem Rahmenkredit zu, so können der Bereich ÖV und Bohl und die Erneuerung der Werkleitungen realisiert werden. Dieser Teil ist vom Bibliotheksneubau nicht tangiert.
Der Bereich Marktplatz muss aber auf die Bibliothek, oder was hier auch immer kommt, abgestimmt sein. Sonst laufen wir Gefahr, dass nach der Fertigstellung des Blumenmarktbereichs im schlimmsten Fall teure Anpassungen am Marktplatz vorgenommen werden müssen.
Riskanter für ein Marktplatz-Nein sind die auf den ersten Blick hohen Kosten.
Beläge, Randabschlüsse und Werkleitungen müssen ohnehin repariert und saniert werden. Diese Kosten würden somit auch bei einem Nein anfallen und sollten daher getrennt ausgewiesen werden.
Die Anpassungen für den öffentlichen Verkehr sind zwingend – so musste ich es ohne Euphorie akzeptieren. Auch diese sollten separat ausgewiesen werden. Darin Enthalten ist auch die Lösung des Haltekanten-Problems:
Die Busse benötigen 22 cm, die Bahn 32 cm. Beide können somit nicht am gleichen Ort halten, wenn sie das Behindertengleichstellungsgesetz erfüllen sollen.
Wie lässt sich dieses Problem lösen:
Die Lösung des Haltekantenproblems hätten die Appenzeller Bahnen wenigstens teilweise zu übernehmen. Sie ist es, die Rollmaterial eingekauft hat, das mit Bushaltestellen nicht kompatibel ist, im Wissen, dass es gemeinsame Haltestellen gibt. Tiefere Einstiege oder Lifte an den Türen wären machbar gewesen. Gut möglich, dass die Appenzeller Bahnen auch der Umbau ihrer exklusiven Haltestellen günstiger gekommen wäre.
Wäre es nur eine Sanierung, wären es Ohnehinkosten. Ist die im Budget enthaltene, mögliche Sanierung der Calatrava-Halle am Ende eine bereits beschlossene Verschiebung? Eine Verschiebung (die man im Vorfeld stets als unmöglich und unnötig bezeichnet hat) wäre aber ein Mehrwert oder eine Massnahme für den öffentlichen Verkehr.