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Gedanken, Ideen, Meinungen und Senf von Markus Tofalo

Grosser Bahnhof St.Gallen – Eine Auslegung

Nach langer Projektierungs- und Bauzeit wurde im September 2018 der umgebaute und renovierte Bahnhof St.Gallen eingeweiht.

Gemessen an der gegebenen Aufgabe ist das Resultat mehr als erfüllt. Aufgabe war es nicht, einen grossen Wurf zu landen, eine Überdachung über den Platz zu spannen oder die revolutionäre Idee in Sachen Haltekanten umzusetzen, dazu unten mehr. Vielmehr musste der in die Jahre gekommene Platz wieder einmal aufgefrischt werden.

bahnhof stgallen 1920 vollendetAuf unser mondänes Hauptbahnhofsgebäude bin ich schon etwas stolz. Kaum eine andere Schweizer Stadt kann eine solche grosse Bahnhofsfassade vorweisen. Nicht auszudenken, wie das wirken würde, wäre der usrprüngliche geplante rechte Flügel auch gebaut worden.

In diesem Artikel

Vergleich Projektvisualisierung mit Fotos der Ausführung

Cubus zwischen Rathaus und Bahnhofsgebäude

Mangelnde Einheitlichkeit

Kein grosser Wurf

Rathausunterführung mit Ladenpassage

Bahnhofshalle

 

bahnhofplatz stgallen von der terrasse aus

Auch bei einem Verzicht auf neue Elemente wären Sanierungskosten angestanden. Die Stadt täte gut daran, Kosten für Mehrwert und Neuerungen von Instandhaltungen und Reparaturen in Abstimmungsbotschaften besser zu unterscheiden, damit solche Projekte nicht derart teuer erscheinen. Siehe auch Marktplatz.

bahnhof stgallen front

Vergleicht man die Bilder aus der Projektvisualisierung mit den Fotos nach der Ausführung, stellt man fest, dass es nur wenig Abweichung gibt. Dass der eigentliche Bahnhofplatz zwischen Bahnhofsgebäude und Post nicht verstellt wurde, keine Perrons drauf hat, ist richtig und eine der Stärken dieser Umsetzung. So wirkt er und die umliegende Fassaden immer noch wie es es schon vor über 100 Jahren gedacht war.

Kornhausplatz

bahnhof stgallen kornhausplatz

Auffälligste Änderung ist der wieder aufgestellte Lämmlerbrunnen auf Kosten des «Wasserspiels» – eine gute Entscheidung. Zwar vermisse ich Wasser in der Stadt, aber dieses Planschbecken hätte im Winterhalbjahr bei leerem Zustand und als Litteringort eine schlechtes Bild gemacht.

 

Cubus zwischen Rathaus und Bahnhofsgebäude

bahnhofplatz stgallen nacht

bahnhof stgallen kubusZweiter auffälliger Punkt ist der Cubus zwischen Bahnhofsgebäude und Rathaus. Dem Stickereimuster aus der Abstimmungsbotschaft trauern noch einige nach. Offenbar hat man bald gemerkt, dass das auf die Dauer nicht passt. Nach der zum Glück ebenfalls verworfenen Variante mit den versetzt angeordneten Feldern hat man die aktuelle Lösung gefunden, die ja auch eine textile Textur aufweist.

Dieser Cubus war für mich von Anfang an das unnötigste. Doch die Binäre Uhr – eine ausgezeichnete Idee – gibt dem Würfel nun einen Sinn und ich kann mich diesem Ding anfreunden. Zum Glück wurde das Malheur mit der Anzeigetafel noch bereinigt. Effektiv unschön sind aber die seitlichen Anschlüssen an das Rathaus resp. an das Bahnhofsgebäude. Diese wirken irgendwie konzeptlos. Man hätte beidseitig die gleiche Sprache finden müssen, am besten korrespondierend mit den Haltekantendächli. Womit wir bei einem echten Minuspunkt sind.

daechli

Diese Dächli sind zu hoch. Es regnet tatsächlich unter sie, was auch am Einweihungsfest alle feststellen könnten. Das Argument, dass Doppelstockbussen drunter fahren können müssen, kann ich nicht stehen lassen. Ein schmaler Regenspalt zwischen Dach und Bus sicher die geringere Katastrophe gewesen wäre. Ob allerdings der Blick der Oberdeckpassagiere auf die Dächli schöner gewesen wäre, ist ein anderes Thema.
Die Höhe stört auch gestalterisch. Sie lässt den Platz kleiner erscheinen. Ich hätte mir eine filigranere Ausführung gewünscht, ähnlich jener im Wettbewerbsvorschlag.

gutenbergstrasse

Ein grosses Plus gibt es für die verkehrsbefreite und bebaumte Gutenbergstrasse. Durch sie geblickt wirkt die Bahnhofsfassade noch beeindruckender! Ein Hauch Grosstadt!

bahnhof stgallen bahnhofsparkli

 

Mangelnde Einheitlichkeit

Das Bahnhofspärkli wurde sehr detailverliebt bepflanzt. Danke. Zu hoffen ist, dass die Gartenwirtschaft des Dufour hier nicht zuviel davon beeinträchtigt – obwohl ich diese grundsätzlich eine gute Idee finde.

screens

Es mag gute Gründe geben, warum soviele verschiedene Anzeigetafel- und Screentypen eingesetzt wurden. Schön ist diese Vielfalt an Designs nicht. Zwei verschiedene chromstahlene (sogar ziemlich nebeneinander!), ein zu den Dächli passendes, ein Anthrazitfarbenes und dann wäre da noch das Braune, das wie ein vergrössertes Siemens-Handy der 1990er-Jahre aussieht. Das hätte einheitlicher sein müssen!

bahnhof stgallen unterfuehrung ost

Einheitlichkeit, das führt zum nächsten Kritikpunkt: Auch wenn die Ostunterführung keine Läden hat, hätte sie in ihrer Ausführung doch die Sprache der Rathausunterführung aufnehmen können: gleiche Treppenstufen (wo neue sind), gleicher Bodenbelag, gleiches Licht, natürlich unter Einbezug der historischen Substanz. Diese Unterführung wird vor allem Passagieren benützt, die mit einem Auto oder einem privaten Bus abgeholt werden. Für diese hinterlässt der Bahnhofnordplatz den erste Eindruck von St.Gallen – leider ein erbärmlicher.

stgallen bahnhofnordplatz flixbus

Der Platz gleicht einer S-Bahn-Endstation in einem Aussenquartier und keineswegs einem Hauptbahnhof-Vorplatz. Da helfen auch ein paar Säcke voll Bäumen nicht. Der Chisoco wäre ein kleiner Tropfen in der Wüste gewesen – aber das ist eine andere traurige Geschichte über Bürokratie, Fehleinschätzung und Unwillen.

Wie dieser Unort aussehen könnte: hier

Wie ich über Fernbusse denke

 

Kein grosser Wurf

Manche wünschten sich eine grossflächige Überdachung. Vor dem Cubus und dem Rathaus könnte ich einer solchen Idee zustimmen, aber nur da. Brauchen tut es diese aber nicht.

PS: Man achte bei folgenden Visualiaiserung auf die Gebäude der UBS und der Kantonalbank!
bahnhof stgallen unterfuehrung aufgang
Auch eine verlängerte Unterführung wird nachgetrauert. Die Kosten-Nutzenrechnung geht nicht auf. Das wurde in der Projektphase klar aufgezeigt, zumal sie ja nur bis zum Mittelperron geführt hätte. Hätte sie bis zum Kornhausplatz gereicht, wären schon drei bis vier Aufgänge nötig gewesen – behindertengerecht versteht sich. 10 Millionen hätten nicht gereicht. Einen unterirdische Grundwasserstaumauer hätte womöglich noch andere unliebsame Folgen gehabt. Im Fall von nur einer Bus-Strasse hätte ich eine Unterführung begrüsst, womit wir beim Haltekantenkonzept von Hansueli Stettler und mir sind.

Idee Bahnhofplatz mit einer Bus-Strasse und zwei Fliesshaltekanten

Das Provisorium auf der St.Leonhardstrasse hatte einen grossen Vorteil: Es gab nur einen Ort und jeder Bus fuhr da durch. Kein Suchen nach der richtigen Kante. Hansueli Stettler hat den Fahrplan mit gleich vielen Bussen (wie damals) so optimiert, dass dies mit zwei Haltepunkte pro Richtung funktioniert hätte. Es können auch deren drei sein, besser wäre es immer noch. Die Reihenfolge der einfahrenden Busse ist bekannt, eine Anzeige könnte aufzeigen, bei welchen Haltepunkt der nächste Bus hält.

peroondach provisorium gleis23 neu gleis67

Völlig falsch finde ich, dass wohl für Gleis 6 und 7 ein neues, wenn auch gestalterisch bescheidenes Dach gebaut wurde (Bild oben rechts), dass dann aber nicht im gleichen Zug auch über die Halle hinaus laufenden Perrondächer der anderen Gleise (Bild oben links) in diesem Stil ersetzt wurden. Diese billigen Holz-Blech-Dächer geben ein äusserst schäbiges Bild ab.

Was mir nach der mangelnden Einheitlichkeit und den Dächli als dritten Punkt missfällt, sind die entlegenen Haltestellen auf der Kornhausstrasse.

 

Rathausunterführung mit Ladenpassage

bahnhof stgallen rathausunterfuehrung2

Die Ladenpassage ist gelungen. Ich hätte mir zwar eine grössere Öffnung nach oben gewünscht, die Platzverhältnisse liessen dazu aber wenig Spielraum.

bahnhof stgallen rathausunterfuehrung

Hingegen wäre mehr Luft beim Aufgang zu Gleis 2 und 3, wie in der ersten Projektvisualisierung noch dargestellt, weniger beengend gewesen.

Bahnhofshalle

bahnhof stgallen halle bahnhof stgallen halle2 bahnhof stgallen halle3

Lob gebührt den SBB für die Erhaltung der Bahnhofshalle. Trotz Tausch von Schalter mit Kommerz ist die Renovation sehr gelungen. Der Glanz der Blütezeit ist spürbar. ganz schön wäre ein traditionelles Banhofbuffet gewesen - aber hier regiert nun mal der Markt.

bahnhof stgallen cubus

Gestalterisch gut integriert ist der Stand von Schmid, wenngleich ich hier lieber einen freien Blick durch die Halle gehabt hätte.

Rosenbergstrasse Fachhochschule St.Gallen, Rosenbergfest

Der Rosenbergplatz ist verkannt. Dieser Platz hat vieles, was ein guter Stadtplatz auszeichnet: Schöne Fassaden, hohe Bäume, Weitsicht auf eine Seite und so verstörend es klingt, aber Verkehr belebt einen Platz. Die Strasse lässt sich nicht entfernen, wie dies ausnahmsweise 2016 (Bild) für das Rosenbergfest geschehen ist. Statt eines Platzes mit Aufenthaltsqualität wurde daraus eine Verlegenheitsansammlung von Wegen und Beeten. Schade.

Alles in allem freue mich mich über das doch gesamthaft gelungene Werk Bahnhof und Bahnhofplatz.

stgallen hb

Fotos: Markus Tofalo, Visualisierungen aus den Projektunterlagen: Hager Partner AG

Aufwertung des Bahnhof-Nord-Platzes

S-Bahn St.Gallen hätte Potential

 

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