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Vorwärts

Gedanken, Ideen, Meinungen und Senf von Markus Tofalo

Ist ein Rückbau alternativlos und ökologisch vertretbar?

Das Haus 04 des Kantonsspitals, das Hochhaus, ist in die Jahre gekommen. Es genügt den heutigen Anforderungen nicht mehr. Daher möchte es die Spitalleitung durch einen Neubau ersetzen. Das ist nachvollziehbar. Doch ein Abriss wäre nicht zwingend nötig. St.Gallens höchstes Gebäude könnte auch umgenutzt werden.

Spitalhochhaus St.Gallen bewohnt

 

Das Spitalhochhaus wurde 1975 fertig gestellt. Entworfen wurde der 78m hohe Turm von den beiden Architekturbüros Bärlocher + Unger sowie Müller + Macinacani. Der erst 50-jährige Bau ist inzwischen Teil der Stadtsilhouette und ein Zeitzeuge – kein schlechter, finde ich. Und hier bin ich bei Weitem nicht der einzige. Ein Architekturhistoriker kommt in seinem Gutachten zum Schluss, das Spitalhochhaus habe «eine hohe baukünstlerische Qualität mit differenzierter Volumetrie und Farbigkeit» und «eine architekturgeschichtliche Bedeutung als besonders gestalteter, für seine Zeit typischer Spitalbau der Nachkriegsmoderne».

Kantonsspital St.Gallen Neubau
Visualisierung des Kantonsspitals nach Fertigstellung der aktuellen Neubauten von Meyer Partner Architekten GmbH.

Auf der Visualisierung des aktuellen Neubaus des Kantonsspitals schafft der schlanke Turm mit seiner zentralen Position zusammen mit den breiten neuen Hochhäusern ein harmonisches Gesamtbild. Er würde fehlen. Ein breiterer Ersatzbau von geringerer Höhe würde dieses Bild stören.

Als Bettenstation ist das Haus zu unpraktisch. Die Lifte sind ein Nadelöhr. Auch sind die Raumhöhen für heutige Bedürfnisse zu gering. Interessant dabei ist, dass man das Haus 04 trotzdem vor 10 Jahren aufwendig gesamterneuert hat.

Ressourcen schonen, auch beim Bau

Überlegungen zur Verschwendung von Ressourcen und Grauer Energie fliessen viel zu wenig in die Diskussion und die Güterabwägung ein, wenn es Bauvorhaben geht. Man ist zu stark auf Neubauten fixiert, lassen sich doch damit gleichzeitig auch andere Nachteile des Altbaus aus der Welt schaffen – und oft sogar günstiger, als durch Sanierung und Umbau.

Die Herstellung neuer Baumaterialien, von Beton, Eisen und Mauerwerk, der Abbau von deren Rohstoffen und die Transporte, verbrauchen Energie, genannt graue Energie. Nebenbei wird viel CO2 erzeugt. Neubauten sind also nicht in allen Fällen die klimaschonendere Lösung. Sanierungen und Umbauten haben zudem den Vorteil, dass sie im Inland mehr Wertschöpfung bringen.

Meine Forderung: Kosten und Schäden für Umwelt und Klima, für Entsorgung und Graue Energie sind in die Berechnung eines Bauvorhabens einzubeziehen. Dabei ist auch das Deponieren des nicht wiederverwendbaren Abbruchmaterials zu berücksichtigen, im Besonderen vor dem Hintergrund, dass die Ablagerungsmöglichkeiten endlich sind – das Tüfentobel ist bald voll und Ersatz findet sich nicht so einfach. Niemand will eine Deponie in seiner Nähe. Die aufkeimende Opposition gegen die Deponie Wisental Mörschwil zur Aufnahme des Aushub- und Ausbruchmaterials der Engpassbeseitigung St.Gallen zeigt dies an einem aktuellen Beispiel. Es sei auch auch auf die von allen Kreisen abgelehnte Idee zur Teilfüllung des Steinachtobels verweisen. Die Transportwege werden also weiter, die Graue Energie im Bauprojekt steigt also.

Eine 50-jägrie Gebäudehülle genügt heutigen Wärmedämmvorschriften keineswegs mehr. In einer früheren Tätigkeit habe ich für Baueingaben den Wärmeverlust von Gebäudehüllen und den Heizenergiebedarf berechnet. Je geringer das Verhältnis von Hülle zu Volumen, desto tiefer der Wärmeverlust. Dies fiel mir damals bei einer Hochhaussanierung im Besonderen auf. Daher ist für mich vorstellbar, dass sich das Haus 04 verhältnismässig einfach ertüchtigen lässt, auch aufgrund der additiven Elemente.

Eine Umnutzung?

Hält die Statik, und dies beim Spitalhochhaus der Fall, so lässt sich dieses Gebäude mit einer anderen Nutzung weiter verwenden.

Die Grundstruktur lässt eine flexible Raumaufteilung zu. Der Grundriss ist klar aufgeteilt; Im Zentrum liegt ein Kern mit Nasszellen und Schächten für Lifte und Installationen. Darum herum kreisen Korridore, welche die Räume auf der Aussenseite erschliessen. Die Trennwände sind nicht alle tragend.
Auch das Kantonsspital braucht Büroräume und Praxen, siehe Neubauprojekt Haus 14 gegenüber der Geriatrie an der Tempelackerstrasse. Warum wird das Hochhaus nicht für Büros genutzt?

Vorstellbar wäre auch eine Umnutzung eines Teils in Wohnungen oder als Hotel – nach Anpassung des Zonenplans versteht sich. Dass dies nicht unmöglich ist, zeigt die Umnutzung des Forschungs- und Entwicklungszentrum der ehemaligen PTT in Bern.

Wäre es nicht naheliegend, anstatt Büros in Wohnbauten unterzubringen, ich denke z.B. an Institute der Universität an der Bodanstrasse, diese in Bauten wie das Haus 04 zu verlegen und die ehemaligen Mehrfamilienhäuser und Villen wieder ihren ursprünglichen Zweck zurück zu führen?

Für den Erhalt von Boombauten

In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wurde viel gebaut. Nicht alles ist schön, aber Vieles ist in der Substanz heute noch zweckmässig. Nach Erneuerung der Hülle, Ertüchtigungen der Haustechnik und evtl. Anbauten für Lifte und Wohnraumergänzung, werden Wohnungen der 1960er und '70er durchaus wieder attraktiv.

Flächendeckende Abrisse sind nicht nötig.

Ich begrüsse daher den Ansatz, den die Stadt in ihrem Bericht «Stadtraumkonzept» aufzeigt, sehr.

Zeilenergänzung
(Bild: Stadt St.Gallen)

Darin beschreibt sie die Verdichtung von Zeilenüberbauungen zu geschlossenen Blockrandüberbauungen. Die umschweifenden Rasenflächen werden ohnehin nicht benötigt, obwohl sie sich als Platz für Familiengärten für die Mieterschaft geradezu anbieten. Eine solche Nutzung würde die Nachfrage nach Familiengartenanlagen lindern.

Durch die Ergänzung zu geschlossenen Blockrandbebauungen könnte auf gleicher Fläche bis 50% mehr Wohnraum geschaffen werden bei einem Grünflächenverlust von nur 25%. Bestehende günstige Wohnungen können erhalten werden. Eine Win-Win-Situation. Die Innenhöfe wären von den Strassen abgeschotteter und ruhiger. Richtig gestaltet wären sie Oasen für die Bewohnerinnen und Bewohner.

Blockrandbebauung Kolosseumstrasse
Vereinfachte Prinzipdarstellung. Durch Gliederungen, Erker, Balkone, offene Erdgeschossnutzungen oder Vorgärten würden attraktive Strassenräume geschaffen.

blockrandbebauung kolosseumstrasse situation

Mut zum echten Baurecycling

Auch wenn die Wiederverwendung von Abbruchmaterial aufgezeigt wird, Recycling ist im Bausektor oft Greenwashing. Gründe für die Verwendung von neuen Material finden sich immer.

Ambassador HausDarum rufe ich zum echten Baurecycling auf. Selbst wenn von einem Altbau nur noch Untergeschoss und Rohbau, oder auch nur die Tragkonstruktion verwendet werden können – für Klima und Umwelt wäre dies besser, als alles abzureissen, zu entsorgen, neu zu beschaffen und neu zu erstellen. Mit gutem Willen ist es oft möglich, ein erforderliches Raumprogramm auch in ein bestehendes Skelett unterzubringen. Ein gutes Beispiel ist das Ambassador House in Opfikon-Glattpark (siehe Bild rechts).

Die Anzahl positiver Beispiele steigt. In Sachen Spitalhochhaus könnte man sich daran orientieren.

 

SRF: Darf höchstes St. Galler Gebäude stehen bleiben?

Artikel im Tagblatt

Aus Bürofläche werde Wohnfläche: Was es mit der Umnutzung auf sich hat.

 

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